Wie bei Seinfeld

6. Juli 2010

Also los. Es war Mittwoch, manchmal nervt mich dieser Tag, auch dieser Mittwoch nervte mich, und meine Laune war furchtbar. Ich betrat Starbucks und sagte dem Mann hinter dem Tresen, was ich wollte: «Tall Latte to go.» Der Mann nickte eifrig und wiederholte: «Tall Latte to go.» Er schob die Designerbrille zurück an seine Nasenwurzel und kritzelte etwas auf meinen Becher – allerdings nicht meinen Namen, den kannte er nämlich nicht. Ob es stimmt, dass sie einem in die Augen schauen müssen?

Ein zweiter Mann wollte abermals wissen, was ich hatte, und dann wollte er Geld von mir. Ich fühlte mich ziemlich urban und post-modern. Hätte ich doch einen iPod oder ein anderes Produkt von Apple bei mir, aber da war nur ein zerknülltes Taschentuch in meiner Hosentasche. Der Kaffee kostete satte drei Euro und war brühheiß; ich zahlte passend, also centgenau.

Hätte ich doch einen iPod bei mir, aber da war nur ein zerknülltes Taschentuch in meiner Hosentasche

«Brühheiß», wiederholte mein ausgedachter Anwalt, der illegal praktizierte und sich wie zufällig in der Nähe befand. Verträumt hoffte er wohl, dass ich mir den Rachen am siedenden Latte verbrennen würde, um anschließend Starbucks zu verklagen. Mir klang das alles zu sehr nach einer Seinfeld-Folge und ich drehte ihm den Rücken zu. Ich schob dem Pappbecher einen Pappring über und verließ Starbucks, war nun also in der hässlichen Shopping-Mall, weil sich der hiesige Starbucks eben dort befand. Wie ein kleines Lebewesen, das in einem großen Lebewesen lebt.

Die unendlichen Wände waren sozusagen verspiegelt, alles wurde da reflektiert, wie in einem gigantischen Spiegelkabinett. Junge Mädchen schauten nach ihren Frisuren, junge Typen sahen nach, ob ihre Schlüpfer aus der Hose lugten; das war so gewollt. Ich erschrak, als ich mich selbst entdeckte und ich hasste diesen Ort und verschwand nach draußen. Hätte dieser Mann vorhin nicht von Regen gefaselt, hätte ich ganz vergessen, dass es Tage gibt, an denen Wasser vom Himmel fällt. Es war heiß und sonnig, allerdings tauchten da einige verdächtige Wolken auf. Wird es regnen? Nein, es würde nicht regnen, vielleicht nie wieder. Wir müssten Brunnen bohren, Dorfbrunnen, 20 bis 40 Meter tief. Ich ging und ging, ich war irgendwann verschwunden.

In der Untergrundbahn gibt es Knöpfe an den Türen, wenn man die drückt, leuchtet der kleine Kasten, der den Knopf umgibt. Wir alle denken, dass dieser Plastikknopf dafür da ist, dass sich die Tür beim nächsten Halt auf jeden Fall öffnen wird. Irgendwie beschleicht mich aber das Gefühl, dass der Knopf direkt mit der kleinen Glühbirne verbunden ist und nicht mehr macht, als dieses Licht aktiviert und die Tür ohnehin aufgeht. Aber die Beweislage ist dünn.


Auf meiner Festplatte ruhen viele Textdateien. Manchmal öffne ich eine davon und lese die Vergangenheit wie ein Geschichtsstudent auf verzweifelter Suche nach einem Thema für die nächste Hausarbeit. Diese Notiz entstand am 6. Juli 2010 gegen Mitternacht, doch die Datei trägt den Titel 30. Juni. Dieser Tag war denn auch ein Mittwoch, wie am Anfang des Textes beschrieben.

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