Zwei Zugfahrten

10. Oktober 2023 · Westfalenbahn

Unsere Fahrt mit der Westfalenbahn dauerte eine Stunde länger als geplant. Grund hierfür war eine Signalstörung. Stau auf der Schiene. Gestrandet in Stadthagen. Da standen wir auf dem Bahnsteig, glücklicherweise durften wir aussteigen und uns die Beine vertreten. Ein Kerl stellte sich direkt vor mich, um zu rauchen; ich hatte den lieben Sohn in der Trage vor meinem Bauch hängen und verließ rasch die Rauchwolke. Dem Raucher wünschte ich die Post an den Hals. Ein ICE überholte uns, fuhr auf dem anderen Gleis an uns vorbei, ballerte durch den Provinzbahnhof. Ich überlegte, welches Auto ich erwerben könnte, dann ging die Fahrt endlich weiter. Ein wenig zumindest: Dorf für Dorf ging es langsam voran in Richtung Bückeburg. Immerhin waren die Toiletten in Ordnung.


Auf der Rückfahrt war die Westfalenbahn wieder ziemlich voll. Ein Mann hatte es sich im 4er gemütlich gemacht, er saß am Fenster, sein Rucksack saß am Gang, seine Füße ruhten auf dem Polster, die Füße vom Mann, nicht vom Rucksack, der hatte keine Füße. Der Mann las, es war schön (für ihn). Wir – meine Frau und ich – zwängten uns mit unserem lieben Sohn in der Trage in einen engen 2er. «Geht schon, lesen Sie bitte in Ruhe weiter!» Der Mann schaute. Dann las er tatsächlich weiter – und stieg aus. Für zwei Stationen hatte er den 4er blockiert. Na und? Es setzte sich ein anderer Mann in den 4er. Er starrte uns an. Gaffte. Stierte. Warum sitzen stets Freaks in meiner Nähe, fragte ich mich innerlich. Immer nur Weirdos. Immer nur Spinner. Immer, immer. «Ich geh pinkeln!», rief ich und machte mich auf den Weg. Das erste WC war defekt und abgesperrt, das zweite WC ebenfalls und das dritte WC auch. Das vierte Klo war geöffnet – ich fühlte mich wie ein Glückspilz.

Schlechter Kaffee im IC

29. Januar 2023 · IC nach Karlsruhe

Die Durchsagen klingen seltsam, der Mann spricht in Zeitlupe. Er klingt wie ein leierndes Tonband. Der Schaffner. Der Zugführer. Oder doch der Lokführer? Er sagt durch, was kommt, er informiert über die aktuelle Verspätung dieses Zuges: acht Minuten. Dann sagt er, dass es in Wagen 10 ab sofort Kaffee gibt. Ich horche auf und mache mich auf den Weg, bahne mir den Weg durch Wagen 8 und Wagen 9. Links Menschen, rechts Menschen, im Gang: Menschen. Beine im Weg, Taschen im Weg, Kinder im Weg. «Danke», sage ich mehrmals und laufe weiter wie durch feuchten Sand.

Ich suche das Bordbistro, wo ich den Kaffee vermute. Es gibt nur kein Bordbistro, stand auch in der DB-App, dieser Zug fährt ohne. Ich stehe nun quasi vorn beim Lokführer, also fast, nur die erste Klasse trennt mich vom glühenden Kessel, in den der Lokführer die Kohle schaufelt. Ich drehe um. Bin traurig. Dann sehe ich einen Mann herumstehen, Typ onkeliger Triebtäter, der Bargeld in ein Abteil reicht. Ach, so ist das, verstehe ich, denn in dem Abteil sitzt eine Frau, die Kaffee aus einem Kaffeespender verkauft, so einer großen Thermoskanne. Vielleicht ein illegales Geschäft!

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Mann ohne Maske

17. Januar 2023 · ICE nach Hamburg

Es ist das dritte Pandemiejahr, die Maskenpflicht in Fernzügen wird demnächst fallen. Doch noch gilt sie. Im ICE nach Hamburg sitzt nun also ein Mann ohne Maske. Als der Zugbegleiter ihn auffordert, eine aufzusetzen, säuselt er: «Nein, ich verzichte.» – «Dann endet für Sie die Fahrt in Celle.» Die Drohung nimmt der Mann schweigend entgegen. Er wirkt geradezu gelangweilt. Ist das alles ein seltsamer Trick, um außerplanmäßig in Celle rausgelassen zu werden? («Ich nehme immer den ICE, ziehe meine Show ab, und die lassen mich in Celle raus. Dann mit dem Rad vom Bahnhof nach Hause.» So in etwa?)

Der Zugbegleiter verschwindet, wenig später erfolgt eine Durchsage und die Frage, ob ein Polizist an Bord sei, um Amtshilfe zu leisten. Der Mann ohne Maske schaut entspannt aufs Smartphone. Ein anderer Zugbegleiter kommt vorbei, bleibt irritiert stehen: «Bitte setzen Sie eine Maske auf.» – «Ihr Kollege kümmert sich schon», erklärt der Mann. Schaut weiterhin aufs Smartphone. Alles Routine.

Auch wenn’s vielleicht bescheuert ist

Dann taucht tatsächlich ein Beamter auf, ein junger Polizist in Uniform. Er baut sich auf, beugt sich herab, wie zu einem ungezogenen Jungen, der gerade die Tapete angemalt hat. «Wir können uns jetzt den Stress sparen – und Sie setzen einfach eine Maske auf. Auch wenn es vielleicht bescheuert ist.» Der Mann ohne Maske seufzt und fummelt in Zeitlupe eine Maske aus seinem Rucksack, setzt sie auf. Wir halten nicht in Celle. The End.