Sylt im Sprühregen

24. Februar 2024 · Westerland

Im ICE nach Hamburg, dort in den IC 2310 nach Westerland umsteigen. Im zweiten Zug haben wir ein Kinderabteil nur für uns – meine Frau und ich mit unserem lieben Sohn. Er kann da herumkrabbeln, spielen und laufen lernen. Wir haben sechs Sitze für uns und können die Schiebetür schließen. Besser als die erste Klasse – allerdings gibt es keinen Kaffee an Bord, also steige ich in Niebüll aus, laufe den Zug entlang und kaufe Kaffee im Bahnhof: einen mittelmäßigen Cappuccino, der mich immerhin wach hält. Der Verkäufer will mir noch ein süßes Teilchen andrehen, aber ich verzichte. (Kenne ich so auch nicht von mir.) In Westerland angekommen, laufen wir zur Ferienwohnung. Der ganze Ort besteht scheinbar nur aus Ferienwohnungen, die im Winter alle leer stehen. Unsere Unterkunft ist etwas seltsam: die Schlafzimmer befinden sich im Keller, man kann beim Schlafen also nicht hinausschauen. Draußen wiegt der Wind die Bäume, das Meeresrauschen ist zu hören.

Sylt im Februar

In dieser Woche regnet es immer mal wieder, einen Tag hört es gar nicht mehr auf. Also gehen wir im Regen ins Zentrum, essen Pizza in der L’Osteria. Der Sohn isst Brei im Hochstuhl. Es ist für uns das erste Mal, dass wir den Sohn im Restaurant mit Brei füttern. Vor dem Besuch plagte uns kurz die Unsicherheit, ob sie in der L’Osteria wohl einen Hochstuhl haben werden. Hatten sie. Nur Wickeltische gab es nicht überall.

Mit dem Bus erkunden wir die Insel, dank Deutschlandticket müssen wir keine Fahrkarten mehr kaufen. (Als wir im Januar 2023 auf Sylt entspannten, mussten wir zunächst die erstaunlich vielen Tarifzonen studieren und zu viel Geld für Tickets zahlen.) Wir fahren nach Hörnum (essen im Straend), nach Rantum und nach Keitum. List und Kampen lassen wir dieses Mal aus.


Im Kontorhaus sind wir sozusagen leichtsinnig: Gehen mit dem Sohn (acht Monate ist er alt) in den Ruheraum, wo sie Tee, Sandwiches, Scones, Shortbread und Kuchen servieren. Ein schöner Ort, im Hintergrund läuft Jazz. Hier verweilen Lehrerpaare und sind weird, hier verweilen Vogelliebhaber, die mit dem Fernglas am Tisch am Fenster sitzen und (hoffentlich) Vögel beobachten, oder die Schafe auf der Wiese. Da sind ältere Herrschaften, die nicht gern sehen, dass unser Sohn auf dem Ledersofa herumklettert. Wir fühlen uns trotzdem sehr wohl, das liegt an der lieben Art der Bedienung. Unser Sohn lächelt und winkt den anderen Besuchern zu, Herzen schmelzen. Nur einige Männer haben kalte Herzen, sie starren regungslos ins Nichts und schwelgen in alten Erinnerungen, als die Welt noch in Ordnung war. Für sie jedenfalls.

Ich mampfe Shortbread und trinke japanischen Tee (Benifuuki), während der Sohn den Teppich genau untersucht. Zwischendurch habe ich aber das Verlangen, laut zu brüllen, weil es hier so verdammt still und friedlich ist, weil sich die Menschen so gewählt ausdrücken – ich will schreiben: «Fuck you all!». Lasse es aber sein und schlürfe summend den köstlichen Tee, der pro Kännchen ausgedachte 8,20 Euro kostet. Danach wieder raus, wir gehen zu Fuß nach Haus. Dort ist das Internet so langsam wie 1999, es ist grausam.

Kaffee in Rantum

In Rantum ist es sinnvoll, zuerst bei Abby’s eine Brezel zu essen; die kostet aber 12 Euro (sic). Eine Mikrowelle haben sie dort nicht, da alle Speisen selbst gekocht werden, argumentiert der mutmaßliche Chef, als wir ihn fragen, ob er den Brei für den Sohn aufwärmen könne. Nach Cappuccino und Mandelkuchen machen wir einen Spaziergang rüber zur Sylter Kaffeerösterei, wo ich einen Flat White trinke und Florentiner vernasche. Anschließend laufen wir noch ein Stück weiter gen Norden und steigen an der Jugendherberge Dikjen-Deel wieder in den Bus ein. So bekommt man den Tag gut herum, allerdings meldet sich abends der Hunger, die Brezel hält nicht lange satt. Unsere Unterkunft hat komischerweise keinen Ofen – wie gern hätte ich eine ehrenlose Dr. Oetker verdrückt.