Die Durchsagen klingen seltsam, der Mann spricht in Zeitlupe. Er klingt wie ein leierndes Tonband. Der Schaffner. Der Zugführer. Oder doch der Lokführer? Er sagt durch, was kommt, er informiert über die aktuelle Verspätung dieses Zuges: acht Minuten. Dann sagt er, dass es in Wagen 10 ab sofort Kaffee gibt. Ich horche auf und mache mich auf den Weg, bahne mir den Weg durch Wagen 8 und Wagen 9. Links Menschen, rechts Menschen, im Gang: Menschen. Beine im Weg, Taschen im Weg, Kinder im Weg. «Danke», sage ich mehrmals und laufe weiter wie durch feuchten Sand.
Ich suche das Bordbistro, wo ich den Kaffee vermute. Es gibt nur kein Bordbistro, stand auch in der DB-App, dieser Zug fährt ohne. Ich stehe nun quasi vorn beim Lokführer, also fast, nur die erste Klasse trennt mich vom glühenden Kessel, in den der Lokführer die Kohle schaufelt. Ich drehe um. Bin traurig. Dann sehe ich einen Mann herumstehen, Typ onkeliger Triebtäter, der Bargeld in ein Abteil reicht. Ach, so ist das, verstehe ich, denn in dem Abteil sitzt eine Frau, die Kaffee aus einem Kaffeespender verkauft, so einer großen Thermoskanne. Vielleicht ein illegales Geschäft!
WeiterlesenStets enttäuschend ist ein Cappuccino aus dem Kaffeevollautomaten. Was zu Hause vielleicht noch in Ordnung geht, ist im Restaurant und vor allem im Café eine traurige Kapitulation: Sie versuchen es gar nicht erst; sie machen es sich gleich leicht und minimieren jedes Risiko. Es muss nur jemand auf einen Knopf drücken, den Rest erledigt der Automat. Die Bedienung trägt das seelenlose Kaffeegetränk dann herüber, stellt es vor mich hin: Bitte schön! Zwei braune Punkte im Milchschaum verraten: Hier hat sich niemand an Latte Art versucht.
«Schämen sollten Sie sich!»
Der Cappuccino kostet trotzdem 4,50 Euro. Und er schmeckt langweilig, gewöhnlich, banal. Die Kaffeebohnen sind generische Industrieware, verbrannt und verkohlt. In dem Café, in dem ich sitze, sind die Bohnen sogar schon gemahlen gewesen. Ich konnte dabei zuschauen, wie die Café-Mitarbeiterin das Kaffeepulver aus der Packung in die Maschine kippte. Bohnengeklacker war nicht zu hören. Ein Café, das sich nicht die Mühe macht, guten Kaffee mit einem Siebträger zu kredenzen, erfährt meine Missbilligung. «Schämen sollten Sie sich!», könnte ich rufen, aber ich denke es nur, die Kritik bleibt ungehört (und steht nun hier).
Das Café befindet sich in bester Lage in Westerland, auf Sylt. Alles ist teuer, der Kaffee also auch, und dann ist es langweiliger Standard aus dieser langweiligen Mistmaschine. Ich erkenne sie wieder: Der gleiche Vollautomat stand auch im Hotel in Hamburg am Frühstücksbuffet, und ich musste diesen Automaten selbst bedienen, also auf einem Touchscreen auswählen, ob ich einen Cappu wollte oder doch einen Latte M. Ich nahm Letzteren und ballerte einen zweiten Espresso rein. Morgens muss der Kaffee kein Gourmet-Kaffee sein, seine Hauptaufgabe ist, mich ins Leben zu kicken, mich wach zu machen. (Der Filterkaffee im Hotel war übrigens ungenießbar.)
Nachmittags aber geht es um den Genuss, dann freue ich mich über einen ausgezeichneten Flat White oder Cappuccino. Den bekam ich vorgestern in der Sturmhaube in Kampen. Auf dem Parkplatz parkten Porsches, im Restaurant kostete das eine Gericht mit Rindfleisch fast 50 Euro; I shit you not. (Ich nahm aber die Currywurst für 17,50 Euro.) Zum Nachtisch bestellte ich also einen Cappu – und der war wirklich lecker, der war köstlich, der war eine Wohltat. Denn hier machten sie sich die Mühe und bedienten die dampfende Höllenmaschine, die druckvoll Wasser durch die frisch gemahlenen Kaffeebohnen drückte, stieß, presste. So muss es doch sein – so ist es leider nicht immer, vor allem nicht in Deutschland.