Ein paar Tage Urlaub in HH, um Freunde und deren Kinder zu besuchen. Es regnete. Es regnete viel.
Für fünf Nächte nach Hamburg – wir nehmen den ICE um 11:20 Uhr; er ist pünktlich. Der Sohn schaut während der Fahrt aus dem Fenster und ist begeistert: Was da alles zu sehen ist, vor allem Bäume. 12:40 Uhr. In Hamburg regnet es, das muss wohl so. Typisch. Wir nehmen die S-Bahn in Richtung Altona, Ausstieg: Holstentor. Zu Fuß weiter; nach kurzer Streckte sind wir in unserer Airbnb-Bude für viel Geld pro Nacht. Es ist inzwischen 13:11 Uhr. Der Sohn macht Mittagsschlaf und ich gehe zu Edeka und Budni. Alles kaufen, was fürs Frühstück nötig ist und mehr. An der Kasse sagen sie: «Moin!» Am Nachmittag mit dem Bus zu Freunden. Kaffee trinken. Um 17:41 Uhr warten wir auf den Bus. Auf den 20er oder den 25er. Der erste Bus ist so voll, dass wir nicht mehr reinpassen und weiter warten müssen. Der zweite Bus hat etwas Platz für uns. Ich hasse Busse und Menschen und den Regen. Abendessen essen, der Sohn geht schlafen. Ich gehe noch mal raus, drehe eine kleine Runde und werde nass. Regen, Regen, um 20:18 Uhr stehe ich wieder im Treppenhaus vom Haus.
WeiterlesenSchon erstaunlich, wie schnell die Fahrt nach Hamburg ging: Hab kaum einen Artikel in der Zeit gelesen, schon erreichte der ICE die Hansestadt. Ich schaute zwischendurch aber auch lange aus dem Fenster, verplemperte also Zeit anstatt sie zu lesen. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts. Wir schwammen durchs Gewusel und gelangten ans Licht. Bestes Wetter, herrlich warm – Hamburg zeigte sich von seiner schönsten Seite, nur die vielen Baukräne störten das Bild.
Freitag, der letzte Julitag im Jahr 2020. Meiner Verlobten und mir blieben zwei Stunden, um durch St. Georg zu streifen und die Lange Reihe entlang zu flanieren. Späte Kaffeepause im «Blanco Coffee» (Instagram); mit Glück einen Tisch ergattert, direkt an der Straße. Busse brummten vorbei und Autos und schrille Vespas. Die Sonne schien immer schöner, warmes Licht flutete die Stadt. Hamburg im Sommer habe ich noch nie erlebt, sonst immer nur Kälte und Dunkelheit und Regen. Ich aß einen köstlichen Cheesecake (5 Sterne) und schlürfte Flat White (4 Sterne). Die Frau am Nebentisch lauschte unserem Gespräch, obwohl es gar nicht spannend war.
Menschen genossen die Leichtigkeit, das Wetter, ihren Feierabend
Radfahrer rauschten vorbei, Kleider flatterten im Fahrtwind. Menschen genossen die Leichtigkeit, das Wetter, ihren Feierabend. Gelöste Stimmung überall, verliebte Paare, gestresste Eltern. Ein Spitz schnupperte den Beton ab, ein anderer Hund bat Fremde um fressbare Spenden. Jemand rauchte, jemand hustete. In solchen Momenten fällt es mir leicht, mich in ein Leben in Hamburg zu fantasieren. («Hannover ist auch schön», muss ich dann wie ein Mantra wiederholen, «Hannover ist auch schön.»)
Freunde versprachen uns das beste Ramen der Stadt, das sollte es in der Schanze geben. Also gingen wir am Abend zu «Momo» (Website) in der Margaretenstraße. Ein gemütlicher Ort, geschmackvoll eingerichtet und erstaunlich groß. Die Toiletten waren mit japanischem Zeitungspapier tapeziert – viel besser als Raufaser! In der Karte entdeckten wir etwas, das sich «Dry Ramen» nannte: Ramen ohne Brühe, perfekt für den Sommer, fanden wir und bestellten. Ich entschied mich für Abura Soba mit Hühnchen und Onsen-Ei (5 Sterne). Als Vorspeise: Edamame mit Meersalz (5 Sterne) und Kimchi (4 Sterne). Alles lecker, lecker. Leider waren wir dann zu satt, um noch ein Matcha-Eis nachzuschieben. Beim nächsten Mal.
Samstagabend, wir sind hungrig von einer Waldwanderung. Von Wein weiß ich nichts, obwohl ich vor einer Weile an einem Winzer-Abend teilgenommen hatte. Das erlernte Wissen war jedoch flüchtig, eine Auffrischung ist nötig. Glücklicherweise wussten die Angestellten im «Vineyard» (Website) bestens Bescheid: Auf Empfehlung tranken wir zwei Weißweine, der erste trocken und trüb (4 Sterne), der zweite süß und fruchtig (4 Sterne). Passend dazu vernaschten wir Bruchschokolade (3 Sterne).
Alles ein bisschen teuer, aber schmackhaft, zum Beispiel der Brotteller mit Antipasti und Ziegenfrischkäse (5 Sterne) oder die Flammkuchen mit Chutney und noch mehr Ziegenkäse (4 Sterne). Das Vineyard ist hauptsächlich ein Fachgeschäft, das eine riesige Auswahl bietet. Meine Güte, so viele Weine, so viele Geschmacksrichtungen – so viel zu erkunden. Doch so wenig Zeit: Schon war wieder Sonntag, Tag der Abreise. Mit dem Bus erst zum Dammtor, mit dem ICE dann nach Hannover. Da ist es auch schön, ja, aber eben nicht ganz so schön wie in der Hansestadt.
Im ICE sitzt neben mir ein Mann, der schweigt und starrt. Ich sitze am Fenster und betrachte die Landschaft, wie sie rückwärts an mir vorbeirauscht. Sehr viel Grün ist zu sehen, außerdem ein paar Pferde, Spaziergänger, Niedersachsen. Ich habe ganz vergessen, dass Deutschland eigentlich aus vielen Feldern besteht. Aus Bäumen, Feldwegen und Hügeln, aus sandigen Wegen und einsamen Häusern, die erstaunlich dicht an den Schienen stehen. Der Mann neben mir versucht sich nun an einer SMS, die er aufs Display schmiert. Das dauert lange und oft kommen Wörter heraus, die da bestimmt nicht stehen sollen. Pflichtbewusst lese ich mit, wie immer, wenn Fremde in meinem Blickfeld ihre Liebesbriefe schreiben.
Beinahe endet die kurze Zugfahrt ohne ein Gespräch. Als aber Leute über meinen ungünstig platzierten Koffer stolpern und ihn fast umreißen, sagt der Mann neben mir: «Bist du sicher, dass das deiner ist? Nicht, dass das ein Talibanbombenkoffer ist.» (Hahaha.) Wir reden ein wenig und ich verrate, dass ich die nächsten Wochen in Hamburg verbringen werde. Der Mann ist begeistert und empfiehlt mir den Ratskeller im Rathaus. Und die Mondrian-Ausstellung soll ich mir auch unbedingt ansehen. «Wenn’s Frühling wird, wollen die Hamburger wie Italiener sein. Und irgendwie klappt das auch», erklärt der Mann noch, dann verschwindet er nach dem Aussteigen in der Menschenmasse. «Lass es krachen!», ruft er zum Abschied.
An der Alster sehen die Leute schön und schick aus, einige allerdings wie Karikaturen. Manche Gesichter sind sonderbar orange-braun angemalt oder gebräunt. Dazu viel Schminke in mehreren Schichten auf der Haut. Um einen Porsche herum stehen ein paar Kerle und gieren unter die Motorhaube. Alles Plastik, nehme ich an. Vor und hinter dem Porsche stehen BMWs und ein schwarzer Mercedes, dessen Besitzer stolz an seinem Fahrzeug steht und die Blicke genießt.
Ein Mann mit zwei Nikon-SLRs hält mich an und wir reden übers Fotografieren; er zeigt mir auch ein paar seiner Bilder, die seine Vorliebe für unscharfe Gesichter verraten. Derweil steht seine Ehefrau daneben. Sie fotografiert lieber Vierbeiner, sagt sie. «Auch gefährliche Viecher?», frage ich. «Ja, auch die», sagt sie. Im Zoo dann aber. Weil in Hamburg selten Tiger herumlaufen, hat sie heute keine Kamera dabei.
Zum Abendbrot esse ich in einem Imbiss eine Currywurst mit Pommes und trinke ein Jever, das es auch hier im Hotel gibt. Im Flur steht eine Kühlschrank-Vitrine, aus der man sich einfach nehmen kann, was man will. Kostet aber natürlich und jede Getränkeentnahme ist auf einem Zettel öffentlich einzutragen. Herr L. hatte heute zwei Jever, Herr M. nur eins. Ich trage meinen O-Saft ein: 0,2 Liter für zwei Euro. Und dann nüchtern ins Bett.
Aufgezeichnet im Michaelis Hof in der Katholischen Akademie in Hamburg. Hier wohnte ich einen Monat lang, als ich einen Journalisten-Intensivkurs besuchte.