Nerds auf dem Flohmarkt

22. Juni 2013

Es ist Sonntag – und es scheint tatsächlich die Sonne. Der Tag ist noch jung, doch die besten Plätze sind schon weg, sind längst besetzt. Nur am Rand gibt es noch eine Stellfläche für unseren Tapeziertisch. Drei Meter Verkaufsfläche = 20 € Gebühr. Hinter meinem Stand stehe ich und warte darauf, dass mir Fremde meine Sachen abkaufen, Bücher und obsolete Ton- und Bildträger.

Der Mann vom Nebenstand verhandelt schon mit mir, während ich noch aufbaue. Er will die kleinen Plastikautos haben. Bücher aber will niemand. Da ist nur ein Mann, der mir noch ein paar Euro aus den Rippen leiert und mir mein Hassbuch #2 schließlich für einen Euro abkauft. Nur fair, ich hätte ihm etwas geben müssen – dafür, dass er mir dieses fürchterliche Buch abnimmt, das ich im Sondermüll hätte entsorgen müssen, weil dessen Inhalt toxisch ist, weil dessen Inhalt Gedanken sterben lässt und Gehirne austrocknet und die Verblödung des Landes vorantreibt. Bis wir alle wie Zombies gar nichts mehr wollen und nur noch ins ewige Licht unserer Mobiltelefone starren und warten, dass sich was bei Facebook tut. Doch nichts, weil alle nur schauen und warten, ganz passiv und leer. Und dafür einen Euro zu bekommen, ist eigentlich gar nicht übel. Davon kann ich mir ein Eis kaufen: Banane, eine Kugel bei Mövenpick. Ich aber begehe den Fehler und kaufe eine Currywurst bei einem knurrigen Mann, der gar keine Lust hat, mir diese Wurst zu geben, sie zu schneiden und so fort. Muss er aber, was soll er sonst tun? Die Wurst kostet 3 € und schmeckt wie 10 Cent. Aber der Hunger treibt es rein, wie man so sagt. Das Brötchen stammt aus dem Billigflieger. Kriegen die Tauben, die würgen.

Ein alter Mann steht vor meinem Stand, zögert, kramt dann in seiner Westentasche, die er wie seine Westentasche kennt. Er fördert einen Palm Pilot zutage, ein Fossil aus dem alten Jahrtausend. Grau und völlig veraltet, obsolet wie meine Ware. In seinem Gerät befindet sich eine Liste mit seinen Besitztümern. Akkurat verzeichnet, katalogisiert und immer dabei. Mit einem schwarzen Plastikstift sticht er auf die Oberfläche des Palm ein, scrollt durch scheinbar endlose Textzeilen. Deswegen möchte ich mein Zeug loswerden, weil es in seiner Masse erdrückt, weil weniger tatsächlich mehr ist. Im Gegensatz zu dem alten Mann, dem alten Mann und das Mehr: Er kauft mir einige Frank-Zappa-CDs ab. Die landen in seinem Regal, landen in seinem Palm. Und ich bin ein Stück freier und reicher.

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