Elf Monate

9. Mai 2024

Klar, ich würde gern im Sonnenlicht sitzen und Zeit vergeuden. Nichts tun. Faulenzen. Aber das geht nicht. Der Sohn ist inzwischen elf Monate alt und braucht mich; er braucht uns. Ich habe Elternzeit, weitere sechs Monate, und ich kümmere mich um ihn. Wir gehen zum Baby-Turnen oder durchstreifen den Wald – also ich gehe, während er friedlich in der Trage an meiner Brust schlummert. Wenn ich draußen meine Runden drehe, sehe ich nur Mütter, die Kinderwagen durch die Gegend schieben, nebenbei Sprachnachrichten ins Telefon diktieren oder am Kaffee nippen. Da ist kein Mann zu sehen. Nicht einer. Da bin nur ich. Auf dem Spielplatz ist gelegentlich einer zu sehen, aber eher nachmittags, nach Feierabend, nicht am Morgen.

Die Frauen bilden Banden und gehen zu sechst spazieren. Sechs Frauen mit sechs Kinderwagen. Wie eine Karawane ziehen sie durch den Stadtteil. Dass alle Babys gleichzeitig schlafen – ein Wunder. Auch, dass sie im Kinderwagen schlafen. Das macht unser Sohn nie, der schläft tagsüber nur in der Trage oder zu Hause im Bett. Wir alle haben unsere Strategien entwickelt, irgendwie klappt das. Wir können natürlich nicht machen, was wir wollen. Andere können das: Die liegen am Strand am anderen Ende der Welt und leben dieses sinnlose Leben ohne Last.