Diese Geschichte handelt vom Erwerb einer Umhängetasche. Ich erledigte das nicht online, sondern persönlich im Geschäft.
Ein eiskalter Wind wehte mich ins Geschäft. Es gab hier Taschen und Portemonnaies zu kaufen. Auf jeden Kunden kamen drei Verkäuferinnen: Sofort begrüßten sie mich, als freuten sie sich, mich zu sehen. Was sie nicht wussten: Ich wollte eine ganz bestimmte Umhängetasche erwerben – ich hatte mich gewissenhaft vorbereitet. Auf eigene Faust wollte ich die Regale durchstöbern und die Tasche entdecken. Die Köstlichkeit der Entdeckung würde mir den grauen Tag versüßen, dachte ich, und ließ die Damenhandtaschen links liegen und näherte mich dem Regal mit den Umhängetaschen.
Da stand auch ein Mädchen mit großer Brille, das mich siezend fragte, ob ich denn Hilfe bräuchte, was ich rasch verneinte. Ich wusste, was ich wollte. Das Mädchen stellte sich wieder zurück an die Steckdose und ließ mich gewähren. Und ich machte und suchte und schaute – fand aber die gesuchte Tasche nicht. Hilfesuchend wandte ich mich doch an die Verkäuferin mit der großen Brille und beschrieb ihr die Umhängetasche. Sie schaute mich an, als wollte ich Uran von ihr kaufen. Oder Urin.
«Einen Moment», sagte sie schließlich und schwebte zu einem anderen Mädchen, das im Laden eine leitende Position innehatte. Sie war ein Profi und kam zu mir und tat ganz interessiert. Geduldig hörte sie mich die gewünschte Tasche abermals beschreiben. Sie erwiderte, dass ich Montag zurückkommen solle, da würde sie die neue Kollektion aufbauen, vielleicht wäre die gesuchte Tasche dabei.
Ob das gewünschte Produkt denn auch wirklich von [Markenname] sei, fragte sie mich sicherheitshalber noch, denn viele Kunden seien sehr dumm, sagte sie nicht. «Natürlich», rief ich, «sonst wäre ich nicht hier, sondern Zuhause, im warmen Wohnzimmer, lesend, schlafend, was auch immer.» Ich nölte noch ein wenig, was die überfreundliche Verkäuferin endlich ins Warenlager verschwinden ließ. Also, in den Keller, der als Lagerraum fungierte. «Ich glaube, ich weiß jetzt, welche Tasche Sie meinen», hatte sie zuvor zugegeben.
Lila sollte sie sein, glatt und schlicht
Während sie im Keller nach der Tasche suchte, erfroren draußen Ohren. Neben mir redete eine Frau viel zu laut über ihre Traumtasche. Lila sollte sie sein, glatt und schlicht. Die Verkäuferin mit der großen Brille tat ihr Bestes. Dann kehrte die leitende Verkäuferin zurück, aktivierte ihr Verkaufslächeln und erzählte mir umschweifend, wie toll diese Umhängetasche sei. Das wusste ich alles längst, deswegen wollte ich sie ja erwerben, deswegen war ich hier. Der Verkauf war längst getätigt, selbst wenn die Verkäuferin über den Holocaust referiert hätte. (Was?!)
«Die nehme ich», sagte ich also. Die Verkäuferin konnte sich einbilden, eine hervorragende Verkäuferin zu sein. War sie vielleicht auch. Nur, dass sie ein bisschen viel Bullshit redete. (Und wenn schöne Menschen plötzlich allzu freundlich zu mir sind, weiß ich, dass sie mir etwas andrehen oder mich töten wollen.)
«Ziemlich kalt draußen», smalltalkte die Verkäuferin, während sie die Bürokratie erledigte. Ich bejahte. Sie sagte, sie sei sehr froh, jetzt zu arbeiten, weil es im Laden angenehm warm sei. Das stimmte, deshalb nickte ich. Dann erzählte ich ihr, dass ich schon laufen war. Das beeindruckte sie aber nicht, sie musste aber zugeben, dass ihr die Ohren abfrören, wenn sie heute liefe. Als visuelle Unterstützung deutete sie sogar auf ihr rechtes Ohr. Es war makellos und mit einer Perle geschmückt. Ja, sagte ich – oder so etwas in der Art.
Als die Verkäuferin mir schließlich die erworbene Tasche in der Papptüte überreichte, stand sie so vor mir, als erwarte sie eine Umarmung. Ich ließ es aber bleiben und ging. Die zehn anderen Verkäufer verabschiedeten sich lächelnd von mir. Sie sahen mir nach, wie ich von der eisigen Böe weitergetragen wurde. Mit meiner neuen Tasche.