Im Seebiergarten

18. Juli 2023 · Maschsee

Es ist Sonntag, die Sonne scheint, wir sind am Maschsee – alle sind hier. Männer bauen das Maschseefest auf, verlegen Holzplanken, manchmal verwirbelt eine Böe die Frisuren der Flaneure. Am Maschsee gibt es einen Seebiergarten, hinten, die «See-Terrassen», es soll wie Sylt sein. Aus Buden verkaufen sie Getränke und Fritten und Flammkuchen (für elf Euro). Eigentlich könnte dieser Ort schön sein, aber er ist es nicht so ganz, denn er wird lieblos geführt. Alles ist ein wenig dreckig, die Buden sehen etwas ramponiert aus, wenn man sie genauer betrachtet. Die Stühle sind klebrig und beschichtet mit Zeug, das aus den Bäumen rieselt. Vielleicht ist das alles gar nicht so schlimm, vielleicht habe ich nur schlechte Laune.

Vielleicht habe ich nur schlechte Laune

Am Nebentisch sitzen Gundula und Gisela, sie kommentieren das Treiben – das ist ihr Gespräch. Dann starren sie uns an, denn wir sind mit unserem Sohn hier, der schlummert noch in einer Trage. (Außerdem haben wir seinen Kinderwagen mit, in dem unsere toten Taschen liegen.) Als der Sohn weint, sagt Gundula: «Der weint.» Als wir seinen Namen laut sagen, kommentiert Gisela: «Oskar heißt der.»

Ich zahle keinen Cent

Nach dem Essen gehe ich pinkeln – TMI – die Toiletten sind im Hauptgebäude, wo alles andere auch ist: das Hotel, ein Restaurant, das auch nur mittelmäßig ist, und eben die Toiletten vom Seebiergarten. Im Vorraum – im Foyer, in der Lobby – lümmelt ein Mann, er scheint zu schlafen, er ist offenbar der Putzmann, er macht die Toiletten sauber, so scheint es zumindest, nun schläft er aber, oder er tut nur so.

Da steht auch ein Tellerchen fürs Kleingeld, das Pinkeln kostet, das Kacken ohnehin, ich denke mir aber: Ich zahle keinen Cent, denn 1.) pinkle ich nur rasch ins Pissoir, das hinterlässt kaum Spuren, und 2.) habe ich gerade einen langweiligen Flammkuchen für elf Euro erworben, dazu labbrige Fritten für vier Euro – da wird das Pinkeln doch wohl inklusive sein, argumentiere ich in Gedanken. Außerdem hasse ich diese Masche: Dass sie (wer eigentlich?) einen armen Knilch dorthin setzen, damit die müssenden Menschen (die Pisser) irgendeine Art von Schuld oder Mitleid empfinden und freiwillig zwei Euro auf den Teller legen, als wäre es das wert.

Ich habe dann Glück: Als ich das Foyer, die Lobby, den Vorraum durchschreite – energisch und den Blick in die Ferne gerichtet – verhandelt gerade eine ältere Dame mit dem nun wachen Putzmann, sie will wohl einen Tausendeuroschein wechseln, damit der arme Kerl seinen Groschen bekommen: «Den haben Sie sich redlich verdient», trällert die Dame nicht, und ich finde diesen Ort plötzlich schrecklich oll, irgendwie retro, diese Fliesen und das gesamte Interieur – alles sieht so … deutsch aus, schnell weg hier, bis bald! Bis nie wieder, ich pinkle künftig lieber in den Maschsee rein.

Mojito und Tinder

Draußen trete ich ins grelle Sonnenlicht. Ein paar Prolls kreuzen meinen Weg – bald ist also das Maschseefest, da kommen sie in Scharen, die tätowierten Prolls, die rauchen und Bier trinken. Sie lachen zu laut und ihre Witze sind mies. Am anderen Nebentisch, also an dem, an dem nicht G. und G. die Banalität des Alltags kommentieren, da setzt sich eine dürre Frau hin, die hat einen (eigenen) Aschenbecher mitgebracht, das hasse ich ja schon jetzt – dass die da gleich rauchen wird, die dumme Tante. Ihr Sohn ist auch mit, der ist acht, der setzt sich auch hin und trinkt seine Fanta. Die Frau raucht dann tatsächlich und schaut interessiert aufs Handy, sichtet das Angebot bei Tinder. Ihr Mann bringt ihr einen Mojito, den die Frau nebenbei gierig austrinkt. Ihr Mann erzählt irgendwas, währenddessen verstaut er Kleingeld in einer hässlichen Herrenhandtasche. Gern würde ich jetzt gehen, aber ich muss noch bleiben.

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