Es ist für mich eine Art Tradition, am 23. oder gar am 24. Dezember noch einmal in den Supermarkt zu schlüpfen, um drei, vier vergessene Dinge zu kaufen. Ketchup, Chips, Buchweizenmehl, Backpapier – solche Sachen. Viel mehr als das ist es selten, was sich in meinem Einkaufswagen ansammelt. Und dennoch muss ich ewig anstehen, denn alle sind da – alle, die etwas vergessen haben, und diejenigen, die ihren kompletten Weihnachtseinkauf am 23. oder 24. Dezember erledigen.
Es hat ja keinen Sinn, es gibt keine Hoffnung
«Der Laden brennt heute», sagt die Verkäuferin. Überall Menschen. Überall ein nervöses Murmeln, Meckern, Grummeln. An der Fleischtheke bildet sich derweil eine beeindruckende Schlange; an den Kassen sowieso. Menschen und Menschen und Menschen. Im Supermarkt einzukaufen, macht nie Spaß – in diesem Moment ist es so schlimm, dass es schon wieder schön ist. Denn es hat ja keinen Sinn, es gibt keine Hoffnung: Irgendwann kommt nun mal der Moment, an dem ich mich einreihen muss, anstellen muss, ganz hinten zunächst. Vier Kassen sind auf, es wird eifrig kassiert und bezahlt.
Taktieren hat keinen Zweck: Alle Schlangen sind die langsamsten. Der Mann hinter mir seufzt und stöhnt: «Ich steh eh wieder falsch», kommentiert er sich selbst. Wir alle fühlen es. Wir werden eins. Das Individuum löst sich auf, jeder Sinn geht verloren, wir existieren, wir atmen, wir gehen ein bisschen nach vorn. Beneiden all jene, die bezahlt haben und gehen dürfen, die raus dürfen, zurück ins Leben dürfen. Payback-Karte? Deutschland-Karte? Mit Karte?
Ich studiere die Packung des Backpapiers: hitzebeständig bis 220 Grad C., steht da. Gibt es auch welches, das 400 Grad aushält, 800 Grad, 1000 Grad? Ich lege die Produkte aufs Warenband und dahinter einen Warentrenner, denn das ist meine Aufgabe. Der Mann vor mir kauft zwölf Flaschen Orangensaft mit Fruchtfleisch. Der Mann hinter mir kauft ein Steak und Soße (für das Steak). Eine Frau bezahlt, sie kramt in ihrem Portemonnaie nach Kleingeld; sie will centgenau bezahlen. Die Kassiererin starrt derweil in die Luft. Sie trägt eine Maske. Tomaten rollen über das Warenband. Der Mann vor mir ist dran. Ich habe es bald geschafft. Draußen fällt Nieselregen auf das Land, benetzt die Stadt, die Autos und die Hunde, die draußen warten müssen.
Ich wäre so gern ein Hund.