Schlechter Kaffee im IC

29. Januar 2023 · IC nach Karlsruhe

Die Durchsagen klingen seltsam, der Mann spricht in Zeitlupe. Er klingt wie ein leierndes Tonband. Der Schaffner. Der Zugführer. Oder doch der Lokführer? Er sagt durch, was kommt, er informiert über die aktuelle Verspätung dieses Zuges: acht Minuten. Dann sagt er, dass es in Wagen 10 ab sofort Kaffee gibt. Ich horche auf und mache mich auf den Weg, bahne mir den Weg durch Wagen 8 und Wagen 9. Links Menschen, rechts Menschen, im Gang: Menschen. Beine im Weg, Taschen im Weg, Kinder im Weg. «Danke», sage ich mehrmals und laufe weiter wie durch feuchten Sand.

Ich suche das Bordbistro, wo ich den Kaffee vermute. Es gibt nur kein Bordbistro, stand auch in der DB-App, dieser Zug fährt ohne. Ich stehe nun quasi vorn beim Lokführer, also fast, nur die erste Klasse trennt mich vom glühenden Kessel, in den der Lokführer die Kohle schaufelt. Ich drehe um. Bin traurig. Dann sehe ich einen Mann herumstehen, Typ onkeliger Triebtäter, der Bargeld in ein Abteil reicht. Ach, so ist das, verstehe ich, denn in dem Abteil sitzt eine Frau, die Kaffee aus einem Kaffeespender verkauft, so einer großen Thermoskanne. Vielleicht ein illegales Geschäft!

Der Kaffee soll tatsächlich 3,60 Euro kosten; exakt 3,70 Euro habe ich bei mir. In bar, weil ich nicht damit rechne, dass irgendjemand in diesem Oldie-Zug bargeldlose Zahlungen akzeptiert. (Scherz, es gibt sogar WLAN.) Nun, ich erwerbe den Kaffee. «Danke.»

«Scheiß die Wand an!», ruft ein Mädchen stellvertretend

Der Kaffee ist heiß, einhundert Grad Celsius oder mehr. Ich trage ihn zurück zu meinem Platz. Setze mich, öffne den Pappdeckel, hebe ihn vom Pappbecher und kippe zwei Kaffeesahne rein ins Heißgetränk. Umrühren mit einem Stock. Dann warten und warten, wie gesagt: Der Kaffee ist heiß, hundert Grad Celsius oder mehr. Nach einer Weile nippe ich zaghaft dran – verbrühe mir die Zungenspitze, verbrenne mir den Gaumen. Alles abgefackelt, ich fluche in Gedanken. «Scheiß die Wand an!», ruft ein Mädchen stellvertretend, aber sie regt sich über ihr Handy-Spiel auf.

Genuss, vergeblich

Da steht was von Genuss auf dem Becher: «Genuss auf ganzer Strecke.» Haha, na ja, denke ich. Kann wohl kaum sein. Und tatsächlich: Der Kaffee schmeckt eigentlich nicht gut; aber ich brauche den jetzt, sonst schlafe ich ein. Sterbe weg. Brauch den Kick. Also rein damit, schlürf, schlürf. Bäh. Bauchweh wird das geben, weiß ich jetzt schon. Können die nicht bessere Kaffeebohnen nehmen? Warum eigentlich nicht? Billig war die Plörre ja nicht. Vierzig Cent mehr, meinetwegen, glatte vier Euro, dafür aber etwas Besseres von irgendeiner «Kaffeemanufaktur» aus Hamburg oder Berlin. Die leiernde Durchsage geht wieder los: Wir erreichen Hannover.

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