Nur zu Besuch

14. April 2023

Am Nachmittag mit dem Rad zum Krankenhaus, Oma auf Station besuchen. Im Fahrstuhl befindet sich ein Mann im Rollstuhl, ein Rollstuhlfahrer im Fahrstuhl. Gleichzeitig mit mir betritt eine Frau die Kabine. Der Mann fragt die Frau, in welchen Stock sie fahren möchte. Doch die Frau starrt schweigend Löcher in die Luft, sie merkt nicht, dass der Mann mit ihr redet. Oder redet er mit mir? Nein: Der Rollstuhlfahrer schaut nicht mich an, sondern die Frau, die nun endlich merkt, dass mit ihr gesprochen wird: «In die 6», erklärt sie. «Ich habe auch schon gedrückt.» – «Ach so», sagt der Rollstuhlfahrer. Er klingt zufrieden.

Mann im Rollstuhl im Fahrstuhl, gezeichnet im Stil von Ralph Steadman, aber erzeugt von Midjourney
«Ach so.»

Dass ich in die 3. Etage möchte, behalte ich für mich, es geht niemanden etwas an, ich möchte dieses Geheimnis für mich behalten, schulde niemandem Auskunft. Andererseits kann das jeder sehen, denn ich habe rasch auf den Etagenknopf gedrückt. Der Fahrstuhl hebt ab, wir fliegen. Ankunft, dritte Etage, ich steige aus. «Er hätte ruhig sagen können, dass er in die Dritte will!», grummelt der Mann zum Abschied, der Frau zugewandt. Schon seltsam, denke ich, was kümmert es ihn?

Dieses Krankenhaus ist modern, groß und hell. Im Zimmer am Ende des Flurs liegt meine Oma. Sie liegt dort in einem Zweierzimmer, im Nebenbett liegt eine ältere Frau. Vor ihr steht ein Bilderrahmen, darin ein Foto von einer jüngeren Frau – ist das sie selbst, aber damals? Die Frau schnauft und hustet, röchelt und stöhnt. Der Ausblick aus dem Fenster ist ganz schön: Der Fluss ist zu sehen, die Bäume, der Radweg. Es beginnt, zu regnen. Oma liegt da, wartet ab. Sie besitzt kein iPad, keinen Netflix-Account. Sie liegt im Bett, sitzt im Bett, schläft im Bett. Zwischendurch kommt der Krankenpfleger vorbei, tauscht den Infusionsbeutel aus, macht seine Arbeit. In solchen Momenten denke ich, dass ich einen totalen Quatschjob habe. Sitze den ganzen Tag vor dem Computer und tippe Blabla in die Tastatur. So ist das nun mal.

Nach einer halben Stunde verabschiede ich mich. Ich darf gehen, Oma muss noch bleiben. Hoffentlich aber nicht mehr lange, sie freut sich auf ihr Zuhause. Der Regen wird stärker, ich werde klitschnass, als ich mit dem Rad nach Hause fahre.

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