Endgültig

1. Mai 2023

Müde denke ich, dass ich in der kommenden Woche noch einmal Oma im Krankenhaus besuchen sollte. Dann fällt mir ein, dass sie gestorben ist. Dass im Krankenhaus nur noch ihr Körper liegt. Die Hülle, das Gefäß; Zellen und Muskeln und Organe. Schon komisch, dass jemand einfach nicht mehr da ist, aber vor einer Woche noch da war. Dass ich mit ihr gesprochen habe und dass das jetzt nicht mehr geht – und es nie mehr gehen wird. Die Endgültigkeit ist nicht einfach zu akzeptieren: Meine Oma wird zum Beispiel meinen Sohn niemals kennenlernen. Er wird von seiner Uroma nur aus Erzählungen erfahren, sie auf Fotos sehen.

Meine eigenen Urgroßeltern haben in Hamburg gelebt, ich habe frühe Erinnerungen an sie, an ihre Wohnung, an den Hamburger Hafen, die Brücken dort. Ich war zu Besuch mit Oma und Opa, es waren die Eltern von meiner Oma, die nun gestorben ist. Komischerweise hat sich die Erinnerung festgebrannt, wie ich da in Hamburg auf dem Klo sitze. Es muss eine echte Erinnerung sein, denn es gibt davon kein Foto. Wie meine Uroma ins Badezimmer kommt und das Fenster aufreißt …

Ich weiß auch noch, wie meine Mutter mir abends sagte, dass mein Uropa gestorben sei. Konnte ich nicht fassen – aber ich war auch erst Zehn oder so. Ich saß auf dem Teppich, da saß ich gern. Saß da auf einer Decke, umringt von Spielzeug; manchmal lief der Fernseher, manchmal gab es Thunfischpizza, von der ich den Geruch mochte, aber nicht den Geschmack.

Als mein Vater morgens anrief, wusste ich sofort, dass Oma gestorben sein muss.

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