Eine Woche im Spätsommer

10. September 2023 · Hannover

Dear Diary: Nach drei Monaten endet meine Elternzeit, noch bleiben mir aber einige Tage, bis das Arbeitsleben wieder beginnt. Am Montag sind wir in der Stadt unterwegs, in der List, beziehungsweise in der Oststadt. Niemand weiß genau, wo welcher Stadtteil beginnt oder endet, nur unangenehme Streber wissen das. Der brandneue Sohn und wir stehen vor einem geschlossenen Geschäft, «Kind der Stadt» hat montags zu.

Statt Shopping also ein spätes Mittagessen im «Codo», zumindest wollen wir es noch einmal versuchen. Vorhin war kein einziger Tisch frei, dabei war es 14:30 Uhr. Doch offenbar muss niemand mehr arbeiten, alle sitzen entspannt herum, sie essen schmatzend und trinken durstig. Eine rauchende Frau ruft plötzlich: «Wie eine Puppe!» Sie meint unseren Sohn – schnell weiter, schnell weg hier. Inzwischen ist es 15 Uhr, endlich sind im «Codo» ein paar Tische frei; wir benötigen nur einen. Später gehen wir zu dm, denn dort steht ein Wickeltisch. In erstaunlich vielen Restaurants ist das Wickeln eine Herausforderung. Das sind so Dinge, die mir nun auffallen.

Pasta und Tiramisu

Am Dienstag essen wir wieder auswärts: Pasta und Tiramisu um die Ecke. Es ist 14 Uhr. Der Sohn ist natürlich auch dabei, aber er hat schon gegessen, also schaut er sich um. Beobachtet, lernt, analysiert. Nachmittags kommen Freunde vorbei, die auch einen Sohn haben, der schon etwas älter ist als unserer. Zusammen gehen wir am Maschsee spazieren. Es herrscht weiterhin bestes Wetter, am Himmel nur die gleißende Sonne, deren Licht immer schöner wird. Ich erfahre nebenbei, dass ich künftig drei Tage ins Office kommen muss – und nur noch zwei Tage im Homeoffice bleiben darf. Eine große Enttäuschung macht sich in mir breit. Sehe mich schon, wie ich abends nach Hause komme, wie mein Vater früher.

Abends sitzen wir an der Dönerbude, ich esse einen Hähnchen-Dönerteller. Wir sitzen direkt an der Hauptstraße, Betonmischer drehen ihre Runden – immer wieder stehen sie an der roten Ampel. In ein paar Jahren wird der Sohn diese Fahrzeuge bestimmt spannend finden. Oder viel früher.

Leben unterm Heat dome

Mittwoch, das Wetter ist schon wieder zu gut, Sonne und wieder keine einzige Wolke. Omegalage, Deutschland schwitzt unterm Heat dome und wir liegen nachmittags auf der großen Wiese am Stadtwald, liegen dort auf einer Decke, unter den großen Bäumen, die viel Schatten spenden. Fehlt eigentlich nur ein flacher Fluss wie im Englischen Garten in München. Aber hier fließt nur der Schweiß, nun ja. Am Donnerstag das Gleiche: Wir auf der Wiese, wir im Schatten der Bäume. So vergeht mein letzter freier Tag meiner Elternzeit.


Schlafe schlecht. Wache zu früh auf. Was für ein seltsamer Tag, dieser Freitag, dieser 8. September. Das Wetter ist natürlich immer noch perfekt: blauer Himmel mit einer aufgeklebten Sonne, 27 Grad Celsius. Alles zerfließt, alles verbrennt. Heute ist mal wieder Markttag – und mein erster Arbeitstag. Wunderbare Wochen liegen hinter mir; anstrengende Wochen mit vielen Herausforderungen. Natürlich sind diese drei Monate viel zu schnell vergangen, ich kann es kaum fassen, dass ich nun wieder arbeiten muss. Als wäre nichts gewesen.

Und E-Mails, unendlich viele E-Mails

All die Dinge, die ich verdrängt habe, sind jetzt wieder wichtig; sollen wieder wichtig sein. Termine, Meetings, Kollegen. Deadlines, Hierarchien, Regeln. Und E-Mails, unendlich viele E-Mails! In einer Nachricht steht, was ich alles zu tun habe. Was ich machen muss. Doch an diesem ersten Tag muss ich mich erst mal orientieren, klimatisieren und informieren, was alles passiert ist. Was sich verändert hat. Was sich verschlechtert hat. Nach sechs Arbeitsstunden schalte ich den Rechner wieder aus. Seufze.

Es folgt eine sonnige Hochzeit, zu der wir fahren – der Sohn macht gut mit: Er betrinkt sich hemmungslos (mit Muttermilch).

Wochenende

In Hannover gibt es einen Laden, der köstliche Bagels verkauft, seinen Geschäftsbetrieb aber einstellen wird: «Chicago Bagels» in der Oststadt. Die Kringel kommen aus den USA, aus NYC (und nicht aus Chicago). Es gibt auch hier keinen Wickeltisch, aber der sympathische Chef stellt uns einfach sein Büro zur Verfügung. Nach dem Essen und Wickeln flanieren wir weiter und gehen in den Stadtwald, wo es angenehm kühl ist.

Abends liegen wir wieder auf einer Wiese, unter einem großen Baum, der fröhlich raschelt. Kann das nicht immer so weitergehen?

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