Autos essen Plätze auf

21. Dezember 2021

Nach kurzer Überlegung1 erstaunt es mich, dass wir die vielen Autos in der Stadt einfach hinnehmen. Zum Beispiel unsere Straße: Die ist links und rechts komplett zugeparkt. Nur Autos und Autos und Autos; viele sind auch noch hässlich. Es ist wegen der parkenden Blechkisten nicht leicht, die Straße zu überqueren, weil man sich zunächst zwischen den Autos hindurchquetschen muss. Diese Probleme sind bekannt, SUVs machen sie noch schlimmer.

  1. Ich stand am Fenster und betrachtete den Bauzaun, der gegenüber einen Vorgarten einzäunt. Seit zwei Jahren tut er das – und nichts passiert dort: Es ist keine Baustelle, sondern wirklich nur ein Vorgarten, den der Bauzaun in Zaun hält. Ich hasse diesen Zaun, denn er ist hässlich und unhöflich, er grüßt zum Beispiel nie. Ich stand also am Fenster, eher schlecht gelaunt, und ließ meinen Blick schweifen und da fiel mir wieder auf, wie hässlich Autos sind und wie viele es gibt. Unsere Straße ist eine Einbahnstraße mitten in der Stadt. Es ist ein grässlicher Kampf, ein Automobil zu besitzen, denn es gibt nicht genügend Platz; alles ist eng in dieser Gegend. Wir haben kein Auto, viele andere aber schon und die stehen halt herum. Unsere Nachbarn zum Beispiel verlassen kaum die Wohnung, besitzen aber einen SUV von BMW. Wenn der Nachbar, Herr Koßmann, mal einen Parkplatz vor der Haustür gefunden hat, bewegt sich das Fahrzeug tagelang nicht vom Fleck. Womöglich ist er aber auch zu besoffen, um damit zu fahren.

Es ist erstaunlich, weil es Autos ja schon eine Weile gibt, und bis heute keine schlaue Lösung existiert, zumindest nicht in unserem Stadtteil. Ein Parkhaus für die Anwohner wäre womöglich eine kluge Idee2: Man würde einfach dort parken und die Straße bliebe frei. Kinder könnten spielen! Das Parkhaus könnte auch unterirdisch sein, denn unter der Erde ist es spannend und dort ist viel Platz. Bei den Baggerarbeiten würden vielleicht interessante Skelette ans Tageslicht kommen, von Dinosauriern oder Drachen. Staunen würden wir!

  1. In Tokyo ist es laut meiner Erinnerung so, dass werdende Autofahrer zunächst einen Parkplatz nachweisen müssen, um ein Auto kaufen zu dürfen. Auch keine dumme Idee. Aber ich sehe schon den Schaum vor dem Mund von Herrn K. (und anderen), die sich ihre Freiheit nicht nehmen lassen wollen. Es ist eine Freiheit des Individuums: Herr K. kann zum Beispiel jederzeit einfach in sein Auto steigen und nach Lissabon fahren. Oder nach Wien. Oder nach Moskau. Einfach so, immer. Diese Freiheit ist enorm! Dafür steht sein Auto viel herum, er bewegt es kaum und es nimmt viel Platz ein und weg. Die Mehrheit nimmt das hin: Das ist eben so. Kann man nichts machen.

In zehn, zwanzig, dreißig Jahren schauen wir in der Zeit zurück und wundern uns. Der kleine Theodor aus der Zukunft kann es kaum fassen: «Ihr habt einst alle Straßen und selbst die schönsten Plätze3 voller Autos gestellt? Klingt seltsam und, mit Verlaub, dumm, werter Herr Vater!» – «Du sollst mich doch Herr Berger nennen.» – «Werden Sie nicht albern.»

  1. In der Stadt, in der ich lebe, gibt es zum Beispiel einen Platz, der die Menschen dazu verleitet, diese Stadt mit Paris zu vergleichen. Absurd, denn ich wohne in Hannover und Hannover hat nicht viel mit Paris zu tun, auch wenn Hannover keineswegs so schrecklich und hässlich ist, wie manche Leute behaupten. Der Platz ist zweifellos schön! Dass dort Autos parken ist deshalb grotesk, denn sie ruinieren den Gesamteindruck. Dämlich ist auch, dass eine Straße den Platz zerschneidet. (Für Kenner: Ich rede vom Wedekindplatz, das mutmaßliche «Klein-Paris» von Hannover.)

Mit Neid (und Tränen in den Augen) schaue ich in andere Städte, nach Kopenhagen, Paris und Amsterdam, wo der Fahrradverkehr die Autos abzulösen scheint. Oder ich schaue nach Barcelona, wo sie immer mehr Kreuzungen in «Superblocks» verwandeln. Mehr Platz für Menschen, mehr Grünflächen, mehr Ruhe. Eine richtig gute Idee, oder?

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