Die nachfolgenden Aufzeichnungen habe ich 2016 notiert und erst ein paar Jahre später abgetippt. Einiges verstehe ich selbst nicht mehr: Wer ist der eingeklammerte Johann?
Timmendorfer Strand, heute ist Donnerstag, der 22. September 2016, es ist 17:37 Uhr. Ankunft nach einer Anreise über Bundesstraßen und Autobahnen. Grauer Himmel, nun unternehmen wir unseren ersten Spaziergang. Am Meer fehlt der salzige Geruch, in der Luft ist nur der Geruch vom Abendessen. ¶ 19:49 Uhr: Abendessen gleich um die Ecke, gut-bürgerlich und recht günstig im Haithabu. Ich bestelle ein «Zigeuner-Schnitzel» (sic!). ¶ An der Promenade paradieren abends nur Schönlinge in roten Hosen und Westen.
Poststraße 21, 10:45 Uhr. Lange geschlafen. Lkw vor dem Fenster und Laubbläser, die Laub umher blasen. Die katholische Kirche auch gleich gegenüber: Omas und Opas sind dort schon unterwegs, eilen zum Gebet. ¶ Hier lässt es sich schön wohnen, das Meer ist nicht weit entfernt. Die Frau von gestern (aus dem Restaurant) fährt mit dem Fahrrad die Straße entlang. Sie lebt hier. ¶ «Es ist grün», singt das kleine Mädchen, so stolz – sie hat an der Ampel gedrückt, ganz allein. Leere Poststraße, sie hätte auch einfach gehen können.
Männer in Steppjacken und -westen bevölkern die Fußgängerzone. «Noch schnell einen Vorleger erworben», plappert jemand. Thilo braucht eine neue Hose. Wir passieren große Häuser, richtige Villen. Ruhe hinter dem Vorhang! Gebeugter Mann, weißes Haar weht im Wind. Den Sweater lässig über den Schultern geworfen, das Leben ist so leicht. Leute mit absurd kleinen Hunden. Frauen mit bunten Turnschuhen.
16:05 Uhr: Wir sind inzwischen in Niendorf, trinken Kaffee und essen Kuchen in der Stadtvilla. Es gibt hier Kuchen im «doppelten Bäckermaß». Mit Mohn. ¶ Ein weißer Porsche mit HH im Kennzeichen. Ich denke unweigerlich: Heil Hitler. Oje. ¶ Steppjacken im Partnerlook: sie in rot, er in blau. Erwürgt von einem feinen Halstuch. Röchel, röchel. ¶ Ein alter Mann, der Geld von uns möchte. Er hat braune Hände. Er möchte Vanillepudding kaufen. «Ein Euro reicht aber nicht», sagt er. Er möchte eine Million. ¶ Weiße Segel der Segelboote am Horizont, so viele.
Am Strand, 14:33 Uhr. «Die sind so geizig!» – «Ich finde das ganz schlimm!» Alte Menschen, die zehn Euro für den «Strandkörper» (Johann) sparen. Die kommen kaum runter und lümmeln da auf dem Boden herum. ¶ Rauch, Pommes, nackte Kinder und panierte Körper. Apfel essen, Selfies machen. Männer ohne Interessen, aber mit Tattoos und Zigarette. Die stehen im Sand, mit der Porzellantasse in der Hand. ¶ Ein- oder zweimal im Monat essen gehen. Warum der Thermomix so toll ist – besonders Spargel. ¶ «Eigentlich müsste Bayern ja gewinnen», sagte einer mit sanfter und runder Stimme. Das ist so schön schlicht, sich das Spiel anzusehen – und mehr nicht. ¶ Ich will der Typ mit dunkelblauer Steppweste sein. Der Typ, der Geld hat und eine richtige Frisur, der gern mal was trinkt, Musik hört, ein schnelles Auto fährt – der gern mit diesem Auto über die Autobahn heizt und andere überholt. ¶ Bei dem sitzt der Kopf irgendwie falsch, zu weit vorn auf dem Körper. ¶ Den BMW-SUV einfach abstellen, egal, was da ist oder was da nicht ist – ein Parkplatz zum Beispiel (der ist da nicht). ¶ Die Nonne auf dem Rad, an einem sonnigen Sonntag. Sie fährt heim.