Aufgeputscht vom Pink-Konzert im Stadion, treffen sich die Leute noch auf Jules’ Balkon. Jules heißt eigentlich Julia, aber seit einer Aida-Fahrt trägt sie diesen kessen Spitznamen. Jedenfalls treffen sie sich jetzt auf Jules’ Balkon, ein bisschen Musik anmachen, wer will was trinken? Es ist nach Mitternacht, es ist Donnerstag. Eigentlich wäre es ruhig im Hinterhof, doch der Mann in der Gruppe – der Hahn im Korb – erklärt viel zu laut, dass er nicht an «disneyhafte Romantik» glaubt. Wie schade.
Mich persönlich interessiert seine Einstellung zur Liebe allerdings nicht, ich bin nun aber wach, habe die sabbelnden Stimmen in meinen Traum eingebaut, ehe ich kapierte: Das ist die Realität, das ist die Wirklichkeit. Wir waren recht früh zu Bett gegangen, weil der Sohn gegen 22 Uhr plötzlich eingeschlummert war. Verwundert legten wir uns auch aufs Ohr – das könnte doch immer so einfach sein, ist es aber nicht.
Schlaftrunken sind die Gedanken stets radikal
Innerlich brodelnd wünschte ich den lachenden Leuten den Tod an den Hals, nichts weniger als das. Schlaftrunken sind die Gedanken stets radikal und die Lust auf martialische Strafe enorm. Diese Rücksichtslosigkeit! Diese Frechheit! Dieser Unfug! Ich wurde sofort zum Wutbürger, von der innerlichen Verfassung war ich wie ein Lkw-Fahrer, der mit seinem Tausendtonner die doofen Klimakleber niederwalzt. Die Frauen bekamen schon wieder einen Lachanfall, oh wie köstlich, will noch jemand etwas Aperol? Alle wollen, alle bekommen.
Es herrschte offenbar ein gewisser Konsens, denn niemand beschwerte sich, kein Nachbar stand (nackt) auf dem Balkon und brüllte in die Nacht, dass die Lärmenden doch bitte die Fresse halten mögen. Nein, die Nachbarn ließen die Störenfriede gewähren, der Widerstand blieb aus, somit war das freche Verhalten allgemein geduldet – na und? Es war inzwischen 2 Uhr, aber da schlief ich wieder, ich danke herzlich der Firma Ohropax.
Vor vielen Jahren saßen wir selbst auf unserem Balkon, es war ein Samstag, es war knapp 23 Uhr, und wir sprachen im normalen Ton miteinander – da zischte die alte Dame von gegenüber empört: «Die quatschen schon wieder!» Sie sagte das zu ihrem Mann, der kopfschüttelnd auf der Bettkante saß und seine Puschen perfekt positionierte, nämlich so, dass er in der Nacht problemlos hineinschlüpfen konnte, um anschließend seine Blase zu entleeren. Das «schon wieder» war jedoch nicht angebracht: In der Regel saßen wir zu zweit auf dem Balkon und lasen, was in der Regel keine Geräusche erzeugt. Das kann also niemanden stören. Was ich damit sagen will? Ich weiß es nicht mehr. Ich kann mit Pink nichts anfangen. Die Musik ist mir zu poppig.