An der Kasse steht eine Frau, sie daddelt am Handy herum. Auf dem Kassenband liegen ein paar Sachen von ihr, sie hat keinen Warentrenner platziert – das hole ich nach und räume meinen Warenkorb aus, lege die Waren aufs Band, den schweren Kram zuerst. Weil ich– «Hey! Ich war noch gar nicht fertig!», nölt die Frau plötzlich. Hektisch schleudert sie dies und das aufs Band. Viel ist es nicht. «Passt doch», kommentiere ich. Die Frau erklärt, dass sie schon mal die App öffnen wollte. Aber die App wollte nicht. Ich heuchle Verständnis. Vorn kassiert der junge Kassierer in Windeseile. Ein Mann stört den Ablauf, er grummelt von der Seite, dass die Flasche nicht geht. Häh? Der Pfandautomat nimmt die nicht, erklärt er. Der Kassierer sagt ungefähr, dass es ihm egal ist. Die Frau vor mir ist dran. Sie öffnet ihre Tasche, damit der Kassierer hineinschauen kann. Wie devot. Würde ich nie unverlangt machen – dann sieht er ja das Diebesgut! (Scherz.) Die Frau zahlt bar. Natürlich. Knallt dem Knilch die Münzen hin. Hinter mir räumt ein Typ seinen Scheiß aufs Band. Salami und Kokosnüsse. Ich habe ihn auf den letzten Metern zur Kasse keck überholt, weil sein Korb so voll war. Manchmal bin ich ein Alphatier. Meistens aber nicht. Der Kassierer hat zwei Augen und eine Nase und einen Mund. Alles spitz und etwas zu rund und stark ausgestülpt. Der guckt immer so intensiv. Als würde er in den Augen der Kunden kramen und nach Schuldgefühlen suchen. Er erkennt, wer was klaut. Ich bin unschuldig und zahle mit Karte. Zücke wirklich eine Plastikkarte aus dem Portemonnaie. Kinder lachen, was macht der Obsthändler da? Die zahlen mit den Augen dann. Da ist ein Chip drin. Ich räume rasant mein Gedöns ein, das kann ich meistens gut. Baller den Krempel in den Rucksack rein. Platzt auch mal was, aber nicht heute.
Ein anderer Tag. Vor mir steht ein junger Mann an der Kasse. Er ist das erste Mal in seinem Leben in einem Supermarkt. Das ist erstaunlich: Er ist 30 Jahre alt. In seiner Hosentasche hat er eine Einkaufstasche, die er nun in aller Ruhe auspackt und entfaltet. Der Kassierer kassiert derweil in Windeseile. Der junge Mann denkt aber gar nicht daran, die Sachen einzupacken; er steht einfach da. Dann soll er bezahlen, der Kassierer murmelt etwas. Der Mann ist verwundert: «Sorry, english?» Der Kassierer verweigert eine Übersetzung, der Mann versteht dennoch: Er muss nun bezahlen. Das tut er, immerhin mit Karte, das geht zügig. Er packt aber weiterhin nicht ein, was dem Kassierer egal ist – er beginnt nun, meinen Kram einzuscannen. Ich muss zusehen, dass ich meine Produkte schnell und ohne Verzögerung in meinen Rucksack bugsiere. Der junge Mann hingegen packt seelenruhig seine Tomatendosen ein; Dose für Dose.
Sven drängelt, fährt dicht auf. Er hat’s eilig. Hier ist aber nur 30 erlaubt – wegen der Schule, wegen des Spielplatzes, wegen der Kinder. Wir sind schon etwas zu schnell unterwegs, aber alles noch im Rahmen. Wir fahren vor Sven, wir sind ein Hindernis. Weil Sven immer doller drängelt, fahren wir jetzt exakt 30 km/h, um den kleinen Wichser zu ärgern. Als wir abbiegen und er geradeaus fahren kann, gibt Sven ordentlich Gas. Er lässt seine kleine Karre aufheulen, drückt das Gaspedal wütend durch. Sven ist endlich frei. Er ist ein cooler Typ, denkt er, aber eigentlich ist er ein Lump. Zu Hause stopft er Kippen und bald muss er in Haft wegen der Dateien auf seinem PC. Mama sagt, er soll mal lüften.
Wir sind keine Minute auf der Autobahn, schon klebt der erste Drängler an unserem Heck. Ein junger Kerl im BMW mit dem Kennzeichen (…). Er heißt vielleicht auch Sven, er findet, dass alle Platz machen müssen, wenn er die Autobahn entlangfährt. Eigentlich sind nur 120 km/h erlaubt, wir fahren schon knapp 140, weil wir Lkw überholen – so viele Lkw, die zwei Spuren füllen. Sven will aber schneller fahren, also drängelt er. Nur, dass vor uns eben auch Autos fahren, die überholen. Es ist nichts zu machen: Sven muss sich in Geduld üben. Er sollte nicht so dicht auffahren, das müsste er wissen, aber es ist ihm egal, er ist ein echter Mann und der beste Autofahrer der Welt. Findet er. Als er uns endlich überholen kann, gibt er ordentlich Gas. Selbstredend. Sven ist wieder schnell. Langsam ist er nur im Kopf.
Kurzurlaub in einem winzigen Dorf in Niedersachsen. Hier ist die Heide, hier leben Wölfe und Kühe. Fußwege gibt es keine.
In der Nähe von Verden (bei Bremen). Überall stehen Bäume und Windräder herum, manche drehen sich, also die Windräder. Überall sind Straßen, die sind nötig, um die Inseln miteinander zu verbinden. Jeder Hof ist eine Insel, und jedes Dorf irgendwie auch, denn sie bestehen oft nur aus vier Häusern. Es gibt kein richtiges Ortsschild, sondern nur eine grüne «Ortshinweistafel». Und Fußwege gibt es auch keine. Da sind nur die Straßen und die Rasenflächen und die uralten Bäume und die alten Häuser und der Hof, auf dem aber nur noch zwei Schweine leben. Die Heideperle hat schon lange zu.
weiterlesenKaum etwas ist männlicher, als ein Mann im BMW. Ich überquere gerade eine Fußgängerampel – ich habe grün und einen Kinderwagen dabei, in dem der liebe Sohn sitzt. Wir überqueren gerade die Straße, als der BMW um die Kurve ballert und scharf bremst. Immerhin: Er kommt zum Stehen, ohne uns zu töten.
Ich deute auf die grüne Fußgängerampel, das grüne Männchen winkt, und ich zeige dem BMW-Fahrer zwei Mittelfinger, weil er das verdient hat. Er lacht mich nur aus. Ich nenne ihn also einen Hurensohn und mein Sohn kommentiert: «Papa redet!» Er ist fast 2 und es stimmt: Ich rede. (Ich schimpfe.) Der BMW-Fahrer – dieser elende Wichser – gibt Gas, als er endlich, endlich freie Bahn hat. Er rast davon, er ist der König der Straße, weil er ein Mann ist, der im BWM sitzt. Niemand sollte ihn aufhalten. Jemand sollte ihn töten.
Viele Raucher nehmen keine Rücksicht auf andere. Als Nichtraucher möchte ich doch nur eines: frei atmen.
Sommer im April. Wir sitzen mit dem lieben Sohn vor der Dönerbude und essen Halloumirollen und Pommes und mehr. Die Dönerbude ist einigermaßen ranzig und ehrenlos; aber wir sind hungrig. Die Toilette ist eine Katastrophe: Sie gluckert und das Wasser läuft ständig und der Raum ist weiß gefliest und voller Kram. Wir mussten quasi durch die «Küche» latschen, mein Sohn und ich, um zur Toilette zu gelangen. Treppe runter. Es war dunkel. Plötzlich tauchte ein Mann auf und machte das Licht an, verschwand wieder. War er wirklich hier gewesen? (Ich sehe sein Gesicht in meinen Alpträumen.) Wir sitzen also vor der Dönerbude und essen, als sich der Chef an den Nebentisch setzt; er hat kurz Pause, gerade will keiner Döner bestellen. Der Chef sitzt am Nebentisch und raucht1. Wir essen Halloumirollen und Pommes und sitzen im Zigarettenqualm. Im Geiste vergebe ich zwei Sterne bei Google.
Wir befinden uns auf einem Gut, da stehen Ställe und ein prächtiges Herrenhaus. Eine große Eiche raschelt leise im Wind. Es gibt hier auch ein Café mit Außenbereich. Wir sitzen an einem großen Tisch, eine ältere Dame setzt sich dazu und schweigt. Sie sitzt einfach anbei. Unser Sohn pflückt derweil Gänseblumen auf der Wiese und erkundet die Natur. Plötzlich taucht ein Hund auf, der angerannt kommt und knurrend bellt. Eine Bestie! Ich muss meinen Sohn schützen. Das Tier reißt ein anderes Kind. Dann taucht sein Herrchen auf und sagt: «Brutus, spuck das Kind aus!»
Es sind Todesengel im dicken Qualm
Es erscheinen dann drei Omas, die sich an den Nebentisch setzen und wie auf ein Kommando alle drei ihre Kippen anzünden. Sie sind Todesengel im dicken Qualm. Sie besaufen sich und fressen Torten. Die alten Schachteln rauchen die Schachteln leer.
Wieso ist es eigentlich nicht üblich, als Raucher zu fragen: «Sagen Sie mal, stört es Sie, wenn wir hier unsere Glimmstängel abfackeln?» Wieso ist es selbstverständlich, dass Nichtraucher zu tolerieren haben, wenn Raucher nach dem Essen eine Kippe rauchen möchten (während andere noch essen)? Und wieso schmeißen Raucher ihre abgerauchten Stummel eigentlich wie selbstverständlich auf den Boden? In den Sandkasten? In den Wald? Wieso sind die so? Es gibt doch so kleine Aschenbecher für die Hosentasche. Kauft euch so einen bei Amazon.
Eigentlich wollte ich nur schnell bezahlen. Doch dann muss die Verkäuferin die Kasse neu starten. Sie ausschalten, warten und wieder hochfahren. Wie ein alter 486er. Es dauert ewig. Ich stehe derweil vor der Theke; wie ein Idiot. Hinter mir stehen zwei Frauen. Sie müssen genervt sein. Ich hatte die Karte falsch herum ins Terminal geschoben, nachdem das Display mich aufgefordert hatte, die Karte einzuschieben – Chip zuerst! Doch der Chip guckte unten raus, weil ich nicht aufgepasst habe. Dann war alles kaputt.
Auf dem Spielplatz verbuddelt ein Kind unsere Schaufeln. «Die musst du aber wieder ausbuddeln», sage ich zu dem Kind, das sich sofort an die Arbeit macht. Doch schnell resigniert es: Die Schaufeln seien nicht aufzufinden. Ich müsse später wiederkommen, erklärt das Kind. Ich frage, ob es noch tiefer graben kann. Dann weint das Kind und rennt zur Mutter, die sich aber nicht sonderlich für den Jungen interessiert, weil sie sich mit einer anderen Frau unterhält. Ich grabe selbst, finde unsere Schaufeln aber nicht. Sie sind weg.
Willkommen im Jahr 2025. Dieser Beitrag ist der erste im neuen Jahr; die nächste Staffel beginnt. Der liebe Sohn wird bald zwei Jahre alt, er geht weiterhin in die Kita und ich arbeite derweil in Teilzeit (wie auch meine Frau). In dieser Staffel werden wir wieder viel auf dem Spielplatz abhängen und durch die Stadt streunen.
Es ist eine kleine Tradition, dass ich am 23. Dezember noch einmal in den Supermarkt gehe, um die wenigen wichtigen Sachen zu erwerben, die wir vergessen haben. Dieses Jahr brauchen wir noch eine Frischmilch, gemahlene Mandeln – und einiges mehr. Ich nehme den Einkaufswagen. (Ich hatte einmal fiebernd überlegt, dass es Einkaufskörbe mit Rollen geben müsste. Nun ja.) Es ist erstaunlich wenig los, es macht fast schon Spaß, durch den Supermarkt zu laufen; ich bin aber stets in Eile, wenn ich hier bin. Alles rein da in den Wagen. Nur die gemahlenen Mandeln sind ausverkauft. Leer. Alle. Schade. Also gehackte Mandeln stattdessen. Als Ersatz. (Sie werden ungenutzt in der Schublade landen.)
An der Kasse habe ich Glück: Kasse #2 ist noch geöffnet und ich darf mich anstellen. «Du darfst auch noch», bestätigt der Kassierer. Ich bin der letzte Kunde an dieser Kasse, was natürlich einen tollen Vorteil hat: Ich kann in Ruhe einpacken, niemand drängelt. Schön. Ich beeile mich dennoch, kann nicht anders, an der Kasse ist immer Krieg, da muss es zügig gehen. Ich habe keine Zeit zu verschwenden, ich zahle und bin weg. Raus. Draußen. Zu Hause fällt uns ein, dass zwei, drei Sachen fehlen. Soll ich also noch einmal los? Muss ich?
Später mit Frau und Sohn in den anderen Supermarkt. Dort hatten sie die gemahlenen Mandeln und noch einiges, was wir auch noch brauchten. Es war Nachmittag und der Laden war recht voll. An den Kassen also lange Schlangen. Da stehen wir. Der Sohn hat Spaß.
«Das Kännchen, da vorn! Guck doch mal um die Ecke! Ach, das gibt’s doch nicht», ruft die Frau und steht auf. Große Augen hinter gewölbten Brillengläsern. Ihr Mann in heller Jeansjacke wirkt orientierungslos. Er weiß überhaupt nicht, was seine Frau von ihm will. «Da ist das Kännchen doch!», schnauzt sie und nimmt das Kännchen vom Counter. Gießt Milch in ihren Kaffee. Dann setzen sie sich zurück an den Tisch, die Frau und ihr überforderter Mann. Sie trinken schweigend.
Das Zwei-Mann-Team von DHL schleppt unser neues Bett in den zweiten Stock. Ich stehe im Flur und sage: «Dorthin, bitte.» Sie schnaufen. Draußen hupt einer, denn der kleine Lkw steht mitten auf der Straße. Der eine Mann rennt wieder runter, während der zweite Mann den letzten Karton hochschleppt.
Ich habe zwei Fünf-Euro-Scheine in der Tasche, die ich tags zuvor organisiert hatte: Zuerst versuchte ich mein Glück am Geldautomaten, aber der spuckte nur 20er aus. Also ging ich rüber in den Hofladen und kaufte einen Aufstrich und Tomaten. Ich zahlte bar und bat um zwei 5er als Rückgeld. Die Verkäuferin hielt inne. Die 5er seien aber rar, behauptete sie. Könne sie eigentlich nicht machen. Sie zögerte. Überwand sich. Sie gab mir die beiden Scheine.
Der eine Mann blieb unten, saß schon im Wagen. Also gab ich dem zweiten Mann die beiden Scheine. Was vielleicht dumm war: Womöglich hat er sie beide behalten. Und sind fünf Euro p.P. eigentlich zu viel? Zu wenig? Und hat er nun zehn Euro Trinkgeld bekommen, dieser Schlingel?
Manche Cafés servieren Heißgetränke in Gläsern, also etwa einen Flat White. An diesem Sonntag bekam ich einen Latte M. im Glas, und das Glas war heiß, viel zu heiß, denn die Milch kochte fast. Das sollte einem Barista nicht passieren. Doch dass die heiße Plörre auch noch im Glas blubberte, ist eine freche Unart, die ich künftig rigoros ablehnen werde. Ich möchte Kaffee in der Tasse und oft sage ich das bei der Bestellung auch. Einmal sagte man mir jedoch, das sei nicht möglich. – Aha, wieso nicht? – Die Menge passe nicht in die Tasse, lautete die Erklärung. Viel zu spät fiel mir ein, dass sie dann eben zwei Tassen füllen könnten. (Wie albern das ausgesehen hätte.)