Es brennt. Mein kleiner Finger steht in Flammen. Aber nur sinnbildlich: Es ist keine spontane Selbstentzündung, die mir widerfuhr, nur ein gewisses Pech, denn ich erwischte mit der Hand eine Wespe – und die stach prompt zu. So ist das nun. Mein Körper reagiert verstimmt und mit einer allergischen Reaktion. Oh.
Die Frau am Ende der Leitung ist recht genervt und schlecht gelaunt, nun ja, ich solle in der Bereitschaftspraxis vorbeischauen, in Celle, im Krankenhaus. Die 116117 hilft, wenn Hausärzte schon Feierabend haben, der «Notfall» das Leben aber nicht akut bedroht (sonst: 112). Ich stelle mir vor, dass da viele seltsame Leute anrufen. Ich wäre auch mies gelaunt, zumal heute Freitag ist.
weiterlesenLanges Wochenende in Lüneburg; ich bin 40 geworden. Wir wohnen in einer Wohnung in der Johannisstraße, in der putzige Häuser stehen, die urgemütlich wirken – vor allem das Haus gegenüber, in dem offenbar ein junges Paar mit Kind wohnt. Sie haben Freunde da, sie sitzen gemeinsam am großen Tisch und reden. Ich bin der Stalker von gegenüber, der sie beobachtet. Es geht fast nicht anders: Die Häuser stehen allesamt eng beieinander – wenn ich also aus dem Fenster schaue, schaue ich unweigerlich in deren Haus, das schön beleuchtet ist.
Als wir am Donnerstag ankommen, müssen wir einkaufen. Es ist heiß, die Sonne brennt. Wir überqueren einen grauen Parkplatz, auf dem Fußgänger nicht sein sollen. Nur Autos, überall Autos. Städte sind einfach nicht für Hitze ausgestattet – es gibt kaum Schatten, manchmal zufällig. Alles ist betoniert und versiegelt. Auf diesem Parkplatz gibt es einen Denn’s neben Aldi, es wird quasi ein Bogen gespannt, von billig bis Bio. Wir kaufen ein Abendessen und essen es später an unserem runden Tisch. Wir schwitzen.
In Lüneburg gibt es ein tolles Café: das Bell and Beans. Der Flat White dort ist köstlich. Sowieso hat Lüneburg erstaunlich viele Cafés, in denen ich den ganzen Tag herumsitzen möchte, um zu lesen. Aber das geht nicht, denn der liebe Sohn möchte noch auf den Spielplatz und durch die Gegend laufen und irgendwo hochklettern. Mittagessen im Zwei Lieben: Dort servieren sie neapolitanische Pizza. Ein Gast hatte sich erkundigt, ob es auch Pizza Hawaii gibt. Die Bedienung war erzürnt: Natürlich gibt es die hier nicht!
Super Parkwunder – dümmer geht es kaum
Der Nachbar ist besessen vom Parkverhalten anderer. In der Straße ist es eng, Parkplätze sind Mangelware, und wer schlecht parkt, der vergeudet wertvollen Platz – meint der Nachbar. Wir sind auch mit dem Auto angereist, weil uns die Bahn im Stich gelassen hat. («Fahrt entfällt».) Der Nachbar findet, dass unser Auto doch etwas anders stehen sollte. Schräger. Er erklärt, wie er das machen würde. Wir machen es so und der Nachbar ist geradezu begeistert. Es können an diesem Abend also fünf Autos vor den Häusern parken – so wünscht es sich der Nachbar täglich. Ich möchte echt kein Auto besitzen.
Als an einem anderen Tag ein Fiat 500 nicht optimal vor den Häusern parkt, gestaltet der Nachbar ein Schild und klemmt es hinter den Scheibenwischer. Darauf steht: «Super Parkwunder – dümmer geht es kaum!» Die Pappe fällt jedoch zu Boden, die Fiat-Fahrerin hat es nie gelesen.
Ein Jahr, das sich nach wenigen Monaten anfühlte, ist vorbei. Das erste Krippenjahr ist geschafft – dabei war eben noch der erste Tag. Einige Kinder wurden nun verabschiedet, auch Eltern gehen und Ämter wechseln. In unserer Elterninitiative gab es viele Höhen und Tiefen, seltsame Dramen und bedauerliche Kündigungen. Eine interessante Erfahrung war das, doch einiges hätte nicht sein müssen. Immerhin verlief die Eingewöhnung vor einem Jahr nahezu perfekt, und dem lieben Sohn gefällt es weiterhin hervorragend in der Kita. Am Ende geht es nur darum. Jetzt folgt – nach einer Sommerpause – das zweite Jahr. Für uns auch schon: das letzte Krippenjahr. Danach geht es für den lieben Sohn weiter in den «richtigen» Kindergarten. Hoffentlich ohne Dramen.
Würden wir ein Auto besitzen, wären wir in den Pkw gestiegen und hätten anderthalb Stunden später unser Ziel erreicht. Aber wir haben gar kein Auto. Also ließen wir uns zuerst nach A. chauffieren, denn es fuhr kein ICE von B. und von D. ohnehin nicht. Also verbrachten wir 30 Minuten in einem Auto und dann weitere 100 Minuten in der S-Bahn. Wir stiegen an der zweiten Haltestelle ein, die der Zug ansteuerte und er war bereits erstaunlich voll. Wir quetschen uns mit dem Sohn auf zwei Sitze im 4er; uns gegenüber sitzt ein Paar, das still leidet. Gemeinsam schauen sie auf dem Smartphone des Mannes einen Film. Dann schläft er ein und sie starrt aus dem Fenster. Der Sohn kann sich immerhin an seinem Sticker-Heft erfreuen. Die S-Bahn juckelt durch das Land. Schön ist es, das schon. Die Wiesen, die Wälder, die Hügel. Würden wir ein Auto besitzen, würden wir vielleicht im Stau stehen.
An der Kasse steht eine Frau und daddelt am Handy herum. Auf dem Kassenband liegen ein paar Sachen von ihr, sie hat keinen Warentrenner platziert – das hole ich nach und räume meinen Warenkorb aus, lege die Waren aufs Band, den schweren Kram zuerst. Weil ich– «Hey! Ich war noch gar nicht fertig!», nölt die Frau plötzlich.
Hektisch schleudert sie dies und das aufs Band. Viel ist es nicht. Die Frau erklärt, dass sie schon mal die App öffnen wollte. Aber die App wollte nicht. Ich heuchle Verständnis. Vorn kassiert der junge Kassierer in Windeseile. Ein Mann stört den Ablauf, er grummelt von der Seite, dass die Flasche nicht geht. Häh? «Der Pfandautomat nimmt die nicht», erklärt er. Der Kassierer sagt ungefähr, dass es ihm egal ist. Die Frau vor mir ist dran. Sie öffnet ihre Tasche, damit der Kassierer hineinschauen kann. Wie devot. Würde ich nie unverlangt machen – dann sieht er ja das Diebesgut! (Scherz.) Die Frau zahlt bar. Knallt dem Knilch die Münzen hin.
WEITERLESENSven drängelt, fährt dicht auf. Er hat’s eilig. Hier ist aber nur 30 erlaubt – wegen der Schule, wegen des Spielplatzes, wegen der Kinder. Wir sind schon etwas zu schnell unterwegs, aber alles noch im Rahmen. Wir fahren vor Sven, wir sind ein Hindernis. Weil Sven immer doller drängelt, fahren wir jetzt exakt 30 km/h, um den kleinen Wichser zu ärgern. Als wir abbiegen und er geradeaus fahren kann, gibt Sven ordentlich Gas. Er lässt seine kleine Karre aufheulen, drückt das Gaspedal wütend durch. Sven ist endlich frei. Er ist ein cooler Typ, denkt er, aber eigentlich ist er ein Lump. Zu Hause stopft er Kippen und bald muss er in Haft wegen der Dateien auf seinem PC. Mama sagt, er soll mal lüften.
Wir sind keine Minute auf der Autobahn, schon klebt der erste Drängler an unserem Heck. Ein junger Kerl im BMW mit dem Kennzeichen (…). Er heißt vielleicht auch Sven, er findet, dass alle Platz machen müssen, wenn er die Autobahn entlangfährt. Eigentlich sind nur 120 km/h erlaubt, wir fahren schon knapp 140, weil wir Lkw überholen – so viele Lkw, die zwei Spuren füllen. Sven will aber schneller fahren, also drängelt er. Nur, dass vor uns eben auch Autos fahren, die überholen. Es ist nichts zu machen: Sven muss sich in Geduld üben. Er sollte nicht so dicht auffahren, das müsste er wissen, aber es ist ihm egal, er ist ein echter Mann und der beste Autofahrer der Welt. Findet er. Als er uns endlich überholen kann, gibt er ordentlich Gas. Selbstredend. Sven ist wieder schnell. Langsam ist er nur im Kopf.
Kurzurlaub in einem winzigen Dorf in Niedersachsen. Hier ist die Heide, hier leben Wölfe und Kühe. Fußwege gibt es keine.
In der Nähe von Verden (bei Bremen). Überall stehen Bäume und Windräder herum, manche drehen sich, also die Windräder. Überall sind Straßen, die sind nötig, um die Inseln miteinander zu verbinden. Jeder Hof ist eine Insel, und jedes Dorf irgendwie auch, denn sie bestehen oft nur aus vier Häusern. Es gibt kein richtiges Ortsschild, sondern nur eine grüne «Ortshinweistafel». Und Fußwege gibt es auch keine. Da sind nur die Straßen und die Rasenflächen und die uralten Bäume und die alten Häuser und der Hof, auf dem aber nur noch zwei Schweine leben. Die Heideperle hat schon lange zu.
weiterlesenKaum etwas ist männlicher, als ein Mann im BMW. Ich überquere gerade eine Fußgängerampel – ich habe grün und einen Kinderwagen dabei, in dem der liebe Sohn sitzt. Wir überqueren gerade die Straße, als der BMW um die Kurve ballert und scharf bremst. Immerhin: Er kommt zum Stehen, ohne uns zu töten.
Ich deute auf die grüne Fußgängerampel, das grüne Männchen winkt, und ich zeige dem BMW-Fahrer zwei Mittelfinger, weil er das verdient hat. Er lacht mich nur aus. Ich nenne ihn also einen Hurensohn und mein Sohn kommentiert: «Papa redet!» Er ist fast 2 und es stimmt: Ich rede. (Ich schimpfe.)
Der BMW-Fahrer – dieser elende Wichser – gibt Gas, als er endlich, endlich freie Bahn hat. Er rast davon, er ist der König der Straße, weil er ein Mann ist, der im BWM sitzt. Niemand sollte ihn aufhalten. Jemand sollte ihn töten. Papa redet.
Viele Raucher nehmen keine Rücksicht auf andere. Als Nichtraucher möchte ich doch nur eines: frei atmen.
Sommer im April. Wir sitzen mit dem lieben Sohn vor der Dönerbude und essen Halloumirollen und Pommes und mehr. Die Dönerbude ist einigermaßen ranzig und ehrenlos; aber wir sind hungrig. Die Toilette ist eine Katastrophe: Sie gluckert und das Wasser läuft ständig und der Raum ist weiß gefliest und voller Kram. Wir mussten quasi durch die «Küche» latschen, mein Sohn und ich, um zur Toilette zu gelangen. Treppe runter. Es war dunkel. Plötzlich tauchte ein Mann auf und machte das Licht an, verschwand wieder. War er wirklich hier gewesen? (Ich sehe sein Gesicht in meinen Alpträumen.) Wir sitzen also vor der Dönerbude und essen, als sich der Chef an den Nebentisch setzt; er hat kurz Pause, gerade will keiner Döner bestellen. Der Chef sitzt am Nebentisch und raucht1. Wir essen Halloumirollen und Pommes und sitzen im Zigarettenqualm. Im Geiste vergebe ich zwei Sterne bei Google.
Wir befinden uns auf einem Gut, da stehen Ställe und ein prächtiges Herrenhaus. Eine große Eiche raschelt leise im Wind. Es gibt hier auch ein Café mit Außenbereich. Wir sitzen an einem großen Tisch, eine ältere Dame setzt sich dazu und schweigt. Sie sitzt einfach anbei. Unser Sohn pflückt derweil Gänseblumen auf der Wiese und erkundet die Natur. Plötzlich taucht ein Hund auf, der angerannt kommt und knurrend bellt. Eine Bestie! Ich muss meinen Sohn schützen. Das Tier reißt ein anderes Kind. Dann taucht sein Herrchen auf und sagt: «Brutus, spuck das Kind aus!»
Es sind Todesengel im dicken Qualm
Es erscheinen dann drei Omas, die sich an den Nebentisch setzen und wie auf ein Kommando alle drei ihre Kippen anzünden. Sie sind Todesengel im dicken Qualm. Sie besaufen sich und fressen Torten. Die alten Schachteln rauchen die Schachteln leer.
Wieso ist es eigentlich nicht üblich, als Raucher zu fragen: «Sagen Sie mal, stört es Sie, wenn wir hier unsere Glimmstängel abfackeln?» Wieso ist es selbstverständlich, dass Nichtraucher zu tolerieren haben, wenn Raucher nach dem Essen eine Kippe rauchen möchten (während andere noch essen)? Und wieso schmeißen Raucher ihre abgerauchten Stummel eigentlich wie selbstverständlich auf den Boden? In den Sandkasten? In den Wald? Wieso sind die so? Es gibt doch so kleine Aschenbecher für die Hosentasche. Kauft euch so einen bei Amazon.
Eigentlich wollte ich nur schnell bezahlen. Doch dann muss die Verkäuferin die Kasse neu starten. Sie schaltet das Gerät aus, wartet und fährt die Rechenmaschine wieder hoch. Wie ein alter 486er. Es dauert ewig. Ich stehe derweil vor der Theke. Wie ein Idiot. Hinter mir stehen zwei Frauen. Sie müssen genervt sein. Ich hatte die Karte falsch herum ins Terminal geschoben, nachdem das Display mich aufgefordert hatte, die Karte einzuschieben. Chip zuerst! Doch der Chip guckte unten raus, weil ich nicht aufgepasst habe. Dann war alles kaputt.
Auf dem Spielplatz verbuddelt ein Kind unsere Schaufeln. «Die musst du aber wieder ausbuddeln», sage ich zu dem Kind, das sich sofort an die Arbeit macht. Doch schnell resigniert es: Die Schaufeln seien nicht aufzufinden. Ich müsse später wiederkommen, erklärt das Kind. Ich frage, ob es noch tiefer graben kann. Dann weint das Kind und rennt zur Mutter, die sich aber nicht sonderlich für den Jungen interessiert, weil sie sich mit einer anderen Frau unterhält. Ich grabe selbst, finde unsere Schaufeln aber nicht. Sie sind weg.
Willkommen im Jahr 2025. Dieser Beitrag ist der erste im neuen Jahr; die nächste Staffel beginnt. Der liebe Sohn wird bald zwei Jahre alt, er geht weiterhin in die Kita und ich arbeite derweil in Teilzeit (wie auch meine Frau). In dieser Staffel werden wir wieder viel auf dem Spielplatz abhängen und durch die Stadt streunen.